In Folge 3 des Stereokanal Podcasts hatten Christoph und ich das Vergnügen, das Unheilig MTV Unplugged Album zu analysieren. Aus Frust und Wut heraus und in einem Anflug von Größenwahn entschloss ich mich, selbst einen Unheilig Song zu schreiben.
Ich dachte, ich hätte wirklich schon alles gehört. Jeden Schrott, jede schiefe Geige, jede sinnlose Textzeile, jeden schlecht gespielten Akkord. Doch dann wurde ich von Lied Nummer 15 auf dem MTV Unplugged Album von Unheilig überrascht. In “Die Weisheiten des Lebens” zelebriert der Graf schamlos Kalendersprüche, die er ohne Sinn und Versand an einander reiht und mit einer mir vorher ungekannten Ignoranz jeden Reim verweigert. Diese chaotische Zusammenstellung willkürlich aneinander gereihter Sprichwörter bezeichnet der sonst textlich auch nicht gewandte Graf als die Weisheiten des Lebens, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und die Sinnessäulen des Lebens darstellen sollen. Was für ein gequirlter Käse.
Hier ist das Stück in seiner ganzen, epischen Länge:
Dass es eine absolute Unverschämtheit ist, ein Lied diesen Ausmaßes auf einem MTV Unplugged zu platzieren, versteht sich von selbst. Die Akkustik-Reihe stand immerhin einmal (Mitte der 90er) für die Honorierung des bisherigen Schaffens von Künstlern wie Kurt Cobain, Eric Claption oder Eddie Vedder. Nur die besten Stücke schafften es auf ein MTV Unplugged (oder wurden absichtlich weggelassen im Falle von “Smells Like Teen Spirit” auf dem Nirvana Unplugged).
Mit der Kommerzialisierung des Formates ging auch ein drastischer Qualitätssturz einher, vor allem seit 2010. Künstler wie Cro und Revolverheld bekamen vorschnell ihre eigene Unplugged-Platte. Und nun also Der Graf. Ein durchaus kalkulierter Schachzug, denn nach der Ankündigung seines Rückzugs aus der deutschen Musiklandschaft, musste natürlich noch einmal die Kasse klingeln und da rief zufällig MTV an.
Die gesamte Kritik zum MTV Unplugged von Unheilig solltet ihr euch am besten in unserem Podcast (Folge 3) anhören. Soviel vorweg: Das Niveau ist in etwas auf dem Level von “Die Weisheiten des Lebens”.
Meine Enttäuschung und Fassungslosigkeit über dieses Album ist so groß, dass ich der Welt (oder zumindest Unheilig Fans, die wahrscheinlich jetzt schon die Fingernägel geschnitten und gefeilt haben, um eine große Hasstirade gegen den Stereokanal loszutippen) zeigen möchte, dass in einem Unheilig Lied wenig bis kein künstlerischer Anspruch steckt. Oder anders ausgedrückt: Jeder Vollidiot kann das.
Das war zumindest meine Vermutung, als ich an einem eisigen Sonntag-Nachmittag Stift und Zettel vor mich legte und mit dem Schreiben eines Unheilig-Songs begann. Ich hatte mich im Vorfeld akribisch vorbereitet, einen Querschnitt von Unheilig Songs analyisert, den Duktus und Rhythmus, die Reimschemata und den Wortschatz des Grafen genaustens unter die Lupe genommen. Ich war wütend und deprimiert und damit genau in der richtigen Stimmung.
Zwölf Minuten später hatte ich zwei Stophen und einen Refrain. Ich habe mir sogar die Mühe gemacht, eine Bridge zu integrieren, was für Unheilig-Kenner schon zur Kür des Songwritings gehört. Als eine Ode an den Graf, nenne ich mich “Unheimlich”. Das ist mein Song.
Unheimlich – Welt aus Dampf
Musikalische Stimmung: Weinerliche Streicher erzeugen melancholische Atomsphäre, der Schlagzeuger gilttert über das Percussion-Windspiel, Background-Sängerinnnen summen leise eine traurige Melodie in Moll.
[STROPHE 1]Wir erinnern uns an früher
Blicken in die Verangenheit
Sehen uns in jungen Jahren
Glücklich und zu zweit
In einer Träne im Knopfloch
Spiegelt sich die schönste Zeit
Für ein Leben in Einsamkeit
Waren wir noch lange nicht bereit
Und dann dreht sich die Welt
Und was bleibt ist ein verlorener Kampf
Eine Träne fällt zu Boden
Und wird zu Dampf, Dampf, Dampf
Welt aus Dampf, Welt aus Dampf
Was wär aus uns geworden, Welt aus Dampf
Jetzt steh ich hier alleine
Schau mir ein Foto an
Was hattest Du für Beine
Neben dir war ich ein glücklicher Mann
Es gibt so vieles, das mir ein Foto nicht wiedergeben kann
All die verlorenen Jahre
Ich denk noch viel zu oft daran
Und dann dreht sich die Welt
Und was bleibt ist ein verlorener Kampf
Eine Träne fällt zu Boden
Und wird zu Dampf, Dampf, Dampf
Welt aus Dampf, Welt aus Dampf
Was wär aus uns geworden, Welt aus Dampf
[REFRAIN]
Und dann dreht sich die Welt
Und was bleibt ist ein verlorener Kampf
Eine Träne fällt zu Boden
Und wird zu Dampf, Dampf, Dampf
Welt aus Dampf, Welt aus Dampf
Was wär aus uns geworden, Welt aus Dampf
Was wär aus uns geworden, Welt aus Dampf
Wie gesagt, 12 Minuten habe ich für diesen geistigen trockenen Orgasmus gebraucht – und es würde keinem auffallen, stünde der Song auf dem MTV Unplugged zwischen “Herz aus Eis” und “An deiner Seite”.
Knapp 1.3 Millionen Platten hat der Graf mit seinen letzten beiden Alben “Lichter der Stadt” und “Gipfelstürmer” verkauft. Und da kommen solche Textzeilen aus jedem Vers gekrochen. Irgendwas hab ich einfach im Leben falsch gemacht, dass ich mich mit einem 4 x 5 Quadratmeter großen Podcast-Studio und dem Christoph begnügen muss. Achja, ich kann noch schlechter singen als der Graf.
Deshalb rufe ich die Stereokanal Community hiermit auf, meinen unter dem Künstlernamen “Unheimlich” geschriebenen Song “Welt aus Dampf” einzusingen und ihn uns zu schicken. Ich gebe die Copyrights hiermit offiziell an die Hörer unseres Podcasts und die Leser unserer Seite ab. Lasst uns gemeinsam dieses Meisterwerk zu musikalischem Leben erwecken!
Schickt uns eure Interprationen von “Welt aus Dampf” per Audio-Datei, ladet sie auf Portalen wie Soundcloud hoch und schickt uns den Link oder stellt ein Video auf Youtube. Wir präsentieren die besten Ergebnisse in einem unserer nächsten Podcasts und küren einen Gewinner unseres Castings des schlechten Geschmacks. Der Gewinner wird in eine der nächsten Sendungen eingeladen, wir übernehmen die Fahrtkosten und bereiten Schnittchen vor.
Schickt uns eure Songs per Mail an flo@stereokanal.de, postet den Link über unsere Facebook-Seite oder direkt in die Kommentarfunktion dieses Beitrags.
Lasst uns gemeinsam die Welt ein bisschen unheimlicher machen.
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